Gesund im Alter

Wer rastet, der rostet

15. März 2018 – Interview: Christian Merten
Niemand will seine geistigen und körperlichen Fähig­keiten verlieren. Prof. Dr. Alexander Kurz erklärt, wie man den Verlust verlang­samen kann, wenn auf­halten schon nicht geht
In der Mitte liegt die Kraft: Wer sich in seinen mittleren Jahren regelmäßig bewegt, altert langsamer. Foto: Stocksy

Herr Professor Kurz, es heißt: Wer rastet, der rostet. Wie viel Wahr­heit steckt darin?

Das stimmt sowohl für den körperlichen als auch für den geistigen Zustand.

Welche Rolle spielt es also, gefordert zu sein?

Gefordert ist gut, überfordert ist nicht gut. Sich neuen Aufgaben zu stellen, erhält jung.

Mit dem Alter ver­schlechtern sich unsere körper­lichen und geistigen Fähig­keiten langsam, aber konti­nuierlich. Wie können wir dem entgegen­wirken?

Durch mäßige, aber regelmäßige Aktivität ab der Lebensmitte. Körperlich bedeutet das, dreimal in der Woche 40 Minuten aerobe Aktivität. Damit ist gemeint: Puls und Atemfrequenz gehen hoch, es fällt schwer, dabei zu singen. Für die kognitive Aktivität kenne ich keine quantitativen Empfehlungen. Es ist aber sicher gut, wenn man sich mehrfach pro Woche mit geistig anspruchsvollen Dingen beschäftigt. Egal, womit: Computerspiele, ein Musikinstrument spielen, eine neue Sprache lernen, malen, Sudoku lösen, Bridge spielen. Aber nicht nur fernsehen. Übrigens: Sportliche Aktivität wirkt sich ähnlich stark positiv aufs Gehirn aus wie viele Medikamente. Es spricht also nichts dagegen, Sport immer auch als Ergänzung zu treiben. Wichtig ist auch soziale Aktivität. Der Austausch mit anderen, gemeinsam etwas zu unternehmen, aufeinander eingehen, auch das kann dem Altern entgegenwirken. Wir dürfen uns nur nicht der Illusion hingeben, wir könnten damit eine Demenz verhindern. Aber alle Studien weisen darauf hin, dass körperliche, geistige und soziale Aktivität zumindest den Ausbruch verzögern können.

Wann können wir, wann sollten wir ein­greifen?

Wenn es um Vorbeugung geht, ist es nie zu früh und nie zu lange.

Welche Rolle spielt der Ruhe­stand?

Mir scheint, dass das Konzept des „Ruhestands“ aus einer Zeit stammt, in der die meisten Menschen körperlich hart arbeiten mussten und mit 65 Jahren am Ende ihrer Kräfte waren. Sie sind ja damals auch recht bald gestorben. Es ist also ein sozialpolitisches Konzept, kein medizinisches. Heute sieht die Arbeitswelt für die meisten Menschen ganz anders aus. Es gibt keine natürliche Altersgrenze, ab der man nicht mehr arbeitsfähig ist. Allerdings ändern sich die Fähigkeiten. Im Alter lässt die Geschwindigkeit nach, aber die Erfahrung und der Überblick nehmen zu. Aus diesen Gründen kommen auch manche Unternehmen dazu, älteren Mitarbeitern eine Beschäftigung jenseits des 65. Lebensjahres zu ermöglichen. Beschäftigt und gefordert zu sein, kann den Zeitpunkt des körperlichen und geistigen Abbaus hinauszögern und auch verlangsamen.

Gibt es einen Zusammen­hang zwischen Bildung und Demenz?

Wir haben in einem katholischen Frauen-Orden den Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Demenzhäufigkeit untersucht. Dabei kam heraus, dass die Schwestern, die Haushaltstätigkeiten ausführten, im Vergleich zu den Lehrerinnen ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko hatten. Daraus darf man aber nicht folgern, dass Kartoffelschälen und Kochen dement machen. Aber es kann auf keinen Fall schaden, wenn man mehr tut.

Über den Interviewpartner: Prof. Dr. Alexander Kurz ist Psychiater und Psychotherapeut, forscht und lehrt am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Der 67-Jährige beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Demenz. Er gehört zu den Gründern der Memory-Klinik der TU München, die er über viele Jahre leitete. Foto: Privat

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