»Das viele Geld muss irgendwohin«

17. Oktober 2018 – Interview: Saskia Trucks
Wer viel Geld hat, investiert häufig in Dinge, die Spaß machen. »Passion Investments« heißt der Trend. Eric Wolzenburg leitet die Kunst­versicherung der Allianz und berät Kunden beim Kunst-, Schmuck- oder Wein­sammeln. Außerdem geben eine Christie's-Expertin für Handtaschen, ein Oldtimer-Detektiv und ein Uhren-Spezialist interessante Einblicke in ihr Fachgebiet

Herr Wolzenburg, was bewegt Menschen dazu, eine Flasche Wein für 10.000 Euro oder einen Old­timer für 1,4 Millionen zu kaufen?

Leidenschaft. Und die Freude daran, etwas zu besitzen, was sehr wertvoll und sehr selten ist. Zum Beispiel einen BMW 507. Dieses Auto ­wurde insgesamt nur 254-mal gebaut. So ein Modell zu besitzen, gibt den Sammlern ein besonderes Gefühl.

Und die Sicherheit, dass ihr Geld gut angelegt ist?

Es gibt – zumindest in westlichen Kulturkreisen – nur wenige Menschen, die solche Luxus­güter sammeln, ohne dabei an Geldanlage zu denken. Es geht darum, Werte zu erhalten und das Kapital zu vermehren. Und um die Diversifikation ihres Portfolios – also, dass das Geld breit gefächert angelegt wird. Auch der Faktor Statussymbol spielt eine bedeutende Rolle.

Seit wann gibt es den Trend der »Passion Investments«?

Der Begriff hat sich in dieser Form in den vergangenen zehn Jahren entwickelt. Besonderen Schub hat er durch die Finanzkrise im Jahr 2008 bekommen und durch die begonnene Öffnung der chinesischen Märkte. Das viele Geld, das in China ist, muss ja irgendwo angelegt werden. Und bei einer Bank bekommt man heute kaum noch Zinsen.

Gibt es regionale Unterschiede beim Sammeln?

Typisch für Deutschland sind Oldtimer – besonders deutsche Marken. Das hängt stark mit unserer automobilen Geschichte zusammen; schon in den 1920er-Jahren gab es in Deutschland eine große Markenvielfalt. In den Niederlanden gibt es eine andere mobile Leidenschaft. Dort sammeln Menschen Plattbodenschiffe, weil sie in der Geschichte des Landes eine bedeutende Rolle spielten.

Nutzen die Sammler ihre Produkte auch?

Natürlich. Jemand, der etwas mit Leidenschaft kauft und sammelt, schließt das Stück nicht einfach weg. Oldtimer werden bewegt. Kunst wird gezeigt. Handtaschen werden getragen.

Und Wein wird getrunken?

Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Europäer verwahren den Wein im Keller, beobachten, wie er sich im Wert entwickelt und verkaufen ihn dann weiter. Asiaten dagegen trinken den Wein. Sie wollen keine große Sammlung anlegen, sondern genießen. Da trinkt man dann auch mal eine Flasche für 10.000 Euro innerhalb einer halben Stunde und kann sich ehrlich darüber freuen.

Das ist aber dann kein Investment?

Das kommt auf die Sichtweise an. Wenn der Sammler investiert, um zu genießen, dann ist es das. Der Kernnutzen von Wein ist ja schließlich, ihn zu trinken.

Wie können Sammler ihre teuren Gegen­stände versichern?

Bis zu einer bestimmten Wertgrenze sind solche Produkte sehr gut in der Hausratversicherung aufgehoben. Aber der Wertsachenanteil ist hier streng limitiert. Daher empfehlen wir, spätestens ab 100.000 Euro Sammlungswert eine ­spezielle Kunstversicherung mit Allgefahren­deckung abzuschließen. Dafür gibt es unsere Kunstversicherung ArtPrivat. Alle wertvollen Leidenschaften, von Kunst über Schmuck und Uhren bis hin zu wertvollen Handtaschen, können darüber versichert werden.

Sind auch Oldtimer in der ArtPrivat abgesichert?

Für klassische Fahrzeuge ab 200.000 Euro Einzelwert haben wir mit OldtimerPrivat eine eigenständige Lösung geschaffen, die auch alle Risiken abdeckt. Alternativ gibt es die Allianz Oldtimer-Versicherung MeinOldtimer, die auch klassische Fahrzeuge unter einem Wert von 200.000 Euro einschließt.

Welche Vorteile hat die ArtPrivat außerdem für Kunden – im Vergleich zu einer normalen Haus­rat­versicherung?

Erstens: Wir haben Mitarbeiter, die den Bedarf der Kunden verstehen und ihre Leidenschaft teilen. Den Kunden ist es wichtig, dass es bei der Allianz Experten gibt, mit denen sie auch fachlich diskutieren können. Uns wiederum gibt das die Chance, Kundenbegeisterung zu erzeugen. Und Zweitens: die klassische Allgefahrendeckung – es gibt kein besseres Versicherungskonzept.

Der Wert von edlen Weinen ist in den vergangenen zehn Jahren um bis zu 100 Prozent gestiegen, ebenso der Wert von Schmuck und Uhren. Bei Oldtimern sind es sogar mehr als 300 Prozent. Kann es sein, dass der Markt irgendwann zusammen­bricht?

Damit rechne ich nicht. Es mag die eine oder andere Schwankung geben, aber im Kern zeigen alle Indikatoren für die kommenden Jahre nach oben. Ein Grund dafür ist in China zu finden: Dort entsteht gerade ein enormer Wohlstand und ein Nachholbedarf, was Luxusgüter angeht. Deshalb wächst der Sammlermarkt sehr stark, das ist auf der ganzen Welt zu spüren. Insgesamt ist sehr viel Liquidität vorhanden – dieses ­viele Geld sucht einen Hafen. Eine Wertsteigerungsgarantie gibt es aber nur bei den allerwenigsten Objekten.

Das bedeutet, eine Uhr, die heute zehn Millionen Euro kostet, kann irgend­wann für 100 Millionen Euro verkauft werden?

Mit solchen Aussagen bin ich vorsichtig. Aber dennoch: »Salvator Mundi« von Leonardo da Vinci wurde dieses Jahr für 450 Millionen US-Dollar verkauft. Ein Auktionator sagte, dass er irgendwann die Milliarde dafür sieht. Für alle Sammelobjekte gilt schließlich: Sie müssen rar sein, sie müssen epochal gewesen sein. Deswegen ist auch die erste Briefmarke der Welt so teuer – sie war ein Meilenstein in der Geschichte.

»Beeinflusst durch TV-Serien wie ›Sex and the City‹, dominierten in den 90er-Jahren IT-Bags von Gucci oder Louis Vuitton den Handtaschenmarkt. Meist waren sie nur eine Saison angesagt. Seit dem Finanzcrash im Jahr 2008 werden Handtaschen als Wertanlage genutzt – besonders zeit­lose Modelle von Traditionsmarken wie Hermès. Unsere Kunden gehen unterschiedlich mit ihren ersteigerten Taschen um. Ich habe mal gesehen, wie jemand noch vor Auktionsende das Portemonnaie in die neue Tasche gesteckt hat. Andere lassen sich extra Vitrinen für ihre Sammlung anfertigen.«
Himalaya Niloticus // 338.000 €
Im November 2017 wurde die Birkin Bag »Himalaya ­Niloticus« von Hermès im Auktionshaus Christie’s in Hongkong als teuerste Tasche der Welt ­versteigert. Foto: Amelie Niederbuchner, Christie’s Images Ltd./Hermès
»Früher galten Oldtimer-Sammler als Verrückte. Ab den 80er-Jahren wurde das Fahren alter Autos zu einer edlen Freizeitaktivität. Die Preise stiegen an. Weil auf dem Markt viel Geld umzu-setzen ist, werden Oldtimer mittlerweile genauso gefälscht wie Kunstwerke. Mein Job ist es, solche Fälschungen zu erkennen. Vor Kurzem habe ich Gutachten für einen Sammler mit fünf alten Porsches erstellt. Es kam heraus: Drei davon waren Nachbauten mit falschen Identitäten. Ohne Röntgengeräte und Materialanalyse ist das nicht festzustellen. Mit solchen Fälschungen habe ich ­jeden Tag zu tun. Dieses System funktioniert, weil die Gier Leute blind macht und sie wollen, dass die Geschichten zu den Autos stimmen.«
Mercedes 300 SL // ab 1.300.000 €
»Wer mit dem Oldtimer-Sammeln beginnen möchte, macht mit einem Mercedes nichts falsch«, sagt Sebastian Hoffmann. »Es gibt genug Ersatzteile, um das Auto ewig instand zu halten.« Aber Vorsicht: Weil der Mercedes 300 SL bei Sammlern so beliebt ist, wird er häufig gefälscht. Foto: Amelie Niederbuchner, Mercedes-Benz Classic
»Uhren hatten für die Menschen schon immer eine besondere Bedeutung. Im 18. Jahrhundert ermöglichten sie Seeleuten, genau zu navigieren. Und sogar vorher, als es nur Sanduhren gab, galt: Wer die richtige Zeit kennt, hat einen Vorteil. Mittlerweile dienen Uhren als treuer Wegbe­gleiter, Status­objekt und Investment. Die Begeisterung dafür nimmt nicht ab. Daran hat auch das Aufkommen von Smartwatches nichts verändert. Im Gegenteil: In unseren Laden kommen immer mehr Uhrenbegeisterte – jeden Alters und aus allen Bereichen der Gesellschaft.«
Rolex Daytona // neu ab 11.300 €
In den 80er-Jahren wollte sie keiner, aber heute ist die Daytona ein beliebtes Uhrenmodell. Das liegt unter anderem an ihrem berühmtesten Träger: Paul Newman. Sein Exemplar wurde 2017 für 15,3 Millionen Euro versteigert. Foto: Amelie Niederbuchner, Rolex

Bildquellen

Birkin Bag »Himalaya ­Niloticus«: Amelie Niederbuchner, Christie's Images Ltd./Hermès

Mercedes-Benz 300 SL: Amelie Niederbuchner, Mercedes-Benz Classic

Rolex: Amelie Niederbuchner, Rolex

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