Allianz Chefanleger im Gespräch    

»Nach­haltig­keit geht über die reine
Kapital­anlage hinaus«

12. Dezember 2016 – Interview: Katrin Wahl
Die Allianz Lebens­versicherungs-AG misst die Nach­haltig­keit ihrer Kapital­anlagen in einem Scoring, bei dem NGOs mit­gewirkt haben. Chef­anleger Andreas Lindner erklärt im Inter­view, wie Nach­haltig­keit und Rendite zusammen­wirken
Chefanleger Andreas Lindner. Foto: Thomas Bernhardt

Herr Lindner, die Allianz Leben bewertet mit Hilfe eines Scorings seit Kurzem ihre Kapital­anlagen im Hin­blick auf die Nach­haltig­keit. Ist das nicht ein Wider­spruch – Nach­haltig­keit und Rendite?

Wir wollen in zukunftsträchtige Assets investieren. Und wir wollen wissen, mit welchen Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen wir bei einzelnen Anlagen rechnen müssen. Deshalb messen wir mit dem Scoring erstmals inwieweit sogenannte ESG-Kriterien bei unseren Kapitalanlagen eingehalten werden. ESG steht für die Aspekte Umwelt (E), soziale Verantwortung (S) und gute Unternehmensführung (G).

Als Lebensversicherung und Langfristanleger haben wir bei unserer Anlagestrategie schon immer auf stabile und sichere Anlagen gesetzt. Das neue ESG-Scoring ergänzt nun unseren Nachhaltigkeitsansatz sinnvoll. Denn die Maßnahmen und Entscheidungen, die wir aus dem ESG-Scoring ableiten, sind an den wirtschaftlichen Interessen unserer Kunden ausgerichtet. Mit dem Scoring decken wir eine weitere Risikodimension bei unseren Investments ab und verbessern dadurch das Risiko-Rendite-Profil unserer Kapitalanlagen. Übrigens haben wir das Scoring gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen (NGO) entwickelt.

Wie funktioniert das Scoring?

Beim Scoring messen wir systematisch die Kapitalanlagen bei mehr als 8.000 Unternehmen und Staaten in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit. Im Zentrum steht die nachhaltige Entwicklung dieser Anlagen. Die Emittenten der Anlagen werden anhand von 37 Kernthemen wie beispielsweise Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, Arbeitssicherheit, Datenschutz, Korruption und Geldwäsche bewertet: Dabei greifen wir auf die Daten des externen und weltweit führenden Rating-Spezialisten MSCI ESG Research zurück.

Der Fotograf Pierre Yves Ginet hat den Aufbau eines Windparks im französischen Leschères sur le Blaiseron nahe Dijon begleitet – die Allianz investiert in nachhaltige Projekte wie dieses. Foto: Pierre Yves Ginet/Laif

Und dann?

Wir geben unseren Anlagenmanagern einen definierten ESG-Schwellenwert vor. Unter diesem Wert dürfen sie momentan Titel nur erwerben, wenn sie stichhaltige Gründe dafür haben. Überzeugen uns die Argumente der Anlagenmanager können sie am Investment festhalten. Gleichzeitig ermuntern wir den Anlagenmanager den Dialog mit dem Emittenten zu suchen, um gemeinsam nach Wegen zur Verbesserung des ESG-Wertes zu suchen.

Dadurch hoffen wir, einen Beitrag zur Verbesserung der ESG-Performance des Emittenten zu leisten. Das neue ESG-Rating wird fester Bestandteil unseres Anlageprozesses und unsere Anlagemanager haben sich darauf verpflichtet. Anders als durch strikte Kaufverbote gefährden wir so unsere hohen Ertragsansprüche für unsere Altersvorsorgekunden nicht und können durch den Dialog mit wichtigen Emittenten ggf. die Nachhaltigkeitswerte dieser verbessern.

Welche Anlagen be­werten Sie?

Wir bewerten im ESG-Scoring alle handelbaren festverzinslichen Wertpapiere wie Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Aktien. Die weiteren Anlagen wie Immobilien, Infrastruktur oder Private-Equity-Fonds prüfen wir bereits seit 2014 auf der Basis qualitativer eigener ESG-Richtlinien. Diese haben wir ebenfalls gemeinsam mit NGOs entwickelt. So werden über 90 Prozent aller Kapitalanlagen der Allianz Leben mit Hilfe des Scorings bzw. unserem ESG-Ansatz im Hinblick auf Nachhaltigkeit bewertet. Die gesamten Kapitalanlagen von Allianz Leben betragen derzeit rund 240 Milliarden Euro.

Große Maschinen: Die Montage einer Windkraftanlage verlangt gleichzeitig kraftvolle Technik und Fingerspitzengefühl. Foto: Pierre Yves Ginet/Laif

Das ESG-Scoring ist also nur ein Teil Ihres Nach­haltig­keits­an­satzes?

Ja. Wir haben sechs Bausteine, die unseren Nachhaltigkeitsansatz ausmachen. Die Auswahl von nachhaltig arbeitenden Anlagenmanagern, klare Ausschlusskriterien für bestimmte Investments, die Nachhaltigkeitsprüfung im Investmentprozess, gezielte weltweite Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte, der regelmäßige und konstruktive Dialog mit Nichtregierungsorganisationen sowie die Berücksichtigung von ESG-Faktoren bei der Bewertung von Investments im Portfolio, sprich das ESG-Scoring.

Wie waren die NGOs am Scoring beteiligt?

Germanwatch, Transparency International und der WWF haben von Beginn an unterstützt, etwa bei der Auswahl des weltweit größten Anbieters für Nachhaltigkeitsratings MSCI ESG Research. Das war sowohl für die NGOs als auch für uns eine gute Erfahrung. Denn ohne diesen für uns wertvollen Input wären wir nicht so weit, wie wir es inzwischen sind beim Bewerten eines solch großen und komplexen Kapitalanlageportfolios. Die Zusammenarbeit ist mit der Einführung des ESG-Scorings auch nicht beendet. Vielmehr findet ein regelmäßiger Austausch mit den NGOs statt, auf deren unabhängiges Urteil viele Kunden vertrauen.

Sind auch Ihre großen Anlagen­manager Allianz GI und PIMCO mit dabei?

Ja, wir haben das Nachhaltigkeits-Scoring zusammen mit den beiden großen Anlagenmanagern der Allianz entwickelt. Allianz GI und auch PIMCO nutzen die Datenbasis von MSCI und haben sich vollständig dem neuen Prozess beim Management unserer Kapitalanlagen verpflichtet.

Fast geschafft: Noch hält der Kran eines der Rotorblätter, aber das fertige Windrad ist schon zu erkennen. Foto: Pierre Yves Ginet/Laif

Nach­haltiges Handeln ist für die Allianz aber nicht komplett neu?

Das stimmt. Wie bereits erwähnt haben wir einen weitreichenden ESG-Ansatz. Zudem haben wir bereits 2005 begonnen, gezielt und weltweit in Nachhaltigkeitsprojekte zu investieren. So haben wir inzwischen mehr als drei Milliarden Euro in Erneuerbare Energien investiert. Mit unseren über 70 Wind- und sieben Solarparks produzieren wir pro Jahr rund 1.800 MW Strom. Aber Nachhaltigkeit geht bei uns über die reine Kapitalanlage hinaus: Wir haben z. B. die CO2-Emissionen pro Mitarbeiter um knapp die Hälfte (43,3 Prozent) gesenkt, sei es durch Ökostrom, weniger Dienstreisen oder die Nutzung nachhaltiger Verkehrsmittel.

Sie haben zu Beginn 2016 Schlag­zeilen mit Ihrem Kohle­ausstieg gemacht. Warum aber versichern Sie noch Kohle­kraft­werke, wenn Sie an diese Branche nicht mehr glauben?

Wir sind überzeugt davon, dass der Dieselverbrennungsmotor nicht der Antrieb der Zukunft sein wird. Dennoch versichern wir die Autos von Kunden, die sich dieser Technologie bedienen. Das lässt sich auch auf das Thema Kohle übertragen. Wir sehen neben den Klimaaspekten keine ökonomische Perspektive für kohlebasierte Geschäftsmodelle. So wird beispielsweise die Wirtschaftlichkeit der Verstromung von Kohle angesichts des globalen Ausbaus der Erneuerbaren Energien weiter abnehmen.

Dennoch versichern wir Kohlekraftwerke. Denn im Versicherungsgeschäft gibt es eine Einzelfallprüfungspflicht. Gerade bei bestehenden Anlagen gilt, dass die Allgemeinheit ein Interesse daran hat, diese Industrieanlagen versichert zu wissen. Wir tun dies, sofern wir Mindeststandards eingehalten sehen und das Risiko für tragbar halten. Denn Versichern ist unser Kerngeschäft.

Bildquellen:

Nachhaltigkeit geht bei uns über die reine Kapitalanlage hinaus: Thomas Bernhardt

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