Judith Williams im Interview

»Ich bin auch Feministin, um Männer zu entlasten«

14. Mai 2019 – Interview: Christian Gottwalt
Sie war auf dem Weg zum Opernstar, erkrankte, verlor ihre Sopranstimme – und ist heute die vielleicht beste Verkäuferin des Landes: Judith Williams. Die gebürtige Münchnerin mit amerikanischem Pass spricht im 1890-Interview über Schmerzen, Mut und was sie wirklich schlimm findet: Heulsusen
Judith Williams studierte klassischen Gesang in Köln und liebt Auftritte vor der Kamera. Teleshopping und »Die Höhle der Löwen« machten sie berühmt. Foto: Alma Hanse

Frau Williams, Ihre erste Er­innerung an Ihren Vater?

Seine tolle tiefe Stimme. Sein Brustkorb vibriert, wenn er spricht. Als Kind habe ich mich immer mit meinem Kopf daraufgelegt. Dieses sanfte Summen – es gibt nichts, was beruhigender ist.

Welche Oper haben Sie als Kind gern gehört?

Mein Vater hat, glaube ich, 500 Mal den »Ochs auf Lerchenau« gesungen. Die Rolle aus dem »Rosenkavalier« liebe ich ganz besonders. Ich kann den komplett auswendig.

Erinnern Sie sich an den Beginn Ihres Traums, Opern­sängerin zu werden?

Oh ja! Mit zweieinhalb lag ich unter dem Flügel und hörte zu, wie mein Vater gesungen hat, und sang mit. Später, mit vier oder fünf, war es der Party-Gag meiner Eltern, wenn ich »In diesen heil’gen Hallen« vom Sarastro aus der »Zauberflöte« gesungen habe. Mit einer Kinderstimme natürlich, aber ich kannte den Text, weil ich diese Musik die ganze Zeit gehört habe, wenn mein Vater geübt hat.

Wann merkte er, dass aus Ihrer Stimme etwas werden könnte?

Ich denke, relativ früh. Ich habe ja den ganzen Tag nur gesungen. Aber trotzdem hat er mir keinen Gesangs­unterricht gegeben. Das hat er mir erst mit 18 oder 19 erlaubt.

Aus heutiger Sicht ungewöhnlich.

Heute ist bei der ­Kindererziehung alles so leistungsbezogen. Hauptsache, alle Talente ausüben. Bisschen übertrieben, oder nicht?

 
Wissen kompakt
Das Gebärmutter-Myom
Häufig heilbar – Gutartige Tumore in der Gebär­mutter, sogenannte Myome, sind keine seltene Erkrankung: Rund 40 Prozent aller Frauen zwischen 35 und 55 Jahren sind davon betroffen. Die Wucherungen wachsen langsam und verursachen in vielen Fällen keine Beschwerden. Falls doch, lassen sie sich operativ, radiologisch oder medikamentös behandeln. Welche Therapie die Ärzte empfehlen, hängt von der Größe des Myoms ab, vom Alter der Patientin und davon, ob sie noch Kinder bekommen möchte.
 

Mit Ihrem Mann haben Sie vier Kinder, zwei aus seiner ­ersten Ehe und zwei gemeinsame. Dass die beiden auf der Welt sind …

 Ja, ich weiß.

Sie sprechen nicht so gern über Ihre ­Krankheitsgeschichte.

Ach ja, weil ich das schon tausendmal erzählt habe.

Sie hatten einen Tumor im Bauch und mussten sich entscheiden zwischen Kindern und einer Karriere als Opernsängerin.

Es war die Entscheidung zwischen einer Hormontherapie oder einer Total-OP. Bei der Hormontherapie blieb eine Wahrscheinlichkeit, dass ich noch mal Kinder bekommen könnte. Dafür habe ich mich entschieden.

Als Nebenwirkung dieser Therapie war absehbar, dass Sie Ihre professionelle Opernstimme verlieren würden. Haben Sie lange für diese Entscheidung gebraucht?

Nein, fünf Minuten.

Eine Bauchentscheidung?

Das war ein plötzliches Bewusstwerden, dass das Wertvollste am Leben nicht Karriere ist, sondern der Lebensweg. Und zu dem Weg gehört für mich Familie dazu, zumindestens die Möglichkeit. Ich würde ­niemals Kinder opfern für Karriere. Auf der anderen Seite möchte ich unbedingt beides haben, und ich finde, wir Frauen haben auch das Recht darauf. Es muss möglich gemacht werden – von allen, die um uns herum sind: Politik, Familie, Partner. Es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Ja, ich bekenne mich dazu und glaube, dass auch Männer Feministinnen werden sollten, weil es sie entspannen würde. Wir sagen nicht mehr, dass jemand hinter dem anderen steht. Wir stehen doch nicht hintereinander! Wir stehen nebeneinander! Und deswegen bin ich Feministin. Auch, um die Männer zu entlasten.

In einem Radio-Interview sagten Sie, dass Sie sich an die drei Monate Ihrer Krankheit nicht mehr erinnern können. Wie sind Sie aus dem Loch wieder rausgekommen?

 Ich bin einfach aufgestanden. Ich habe angefangen, irgendwas zu machen, habe mir einen Job gesucht und weitergemacht. Ganz klein, ja, ganz bescheiden.

Es muss ein schmerzhafter Verzicht gewesen sein.

Ja. Ich war Stimme. Das war ich immer: »Judith, ah … Party, Judith sing doch mal!« Und dann bin ich aufgestanden und habe gesungen. Keine Ahnung, was. Immer. Ich habe meine Identität verloren. Meine Identität war meine Stimme.

Seither ist Ihr großes Thema, Menschen Mut zuzusprechen.

Das ist mir ein Herzensanliegen, weil das machen viel zu wenige so. Und wenn, driftet es häufig ins Esoterische ab. Ich glaube, dass wir in einem gesunden und liebevollen Gespräch mit uns selbst sein sollten.

Ist das Sich-selbst-Mögen eine Disziplin?

Sich selbst zu mögen, bedeutet: Du erlaubst dir nicht, dich fertigzumachen.

Kann man sich selbst umarmen?

Ja, natürlich! In jeder Form – geistig wie körperlich. Und das ist auch ganz, ganz ­nötig! Das lernen wir nicht in der Schule.

 
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Sie hatten noch einen zweiten großen Wendepunkt in ­Ihrem Leben – als Sie bei Ihrem Stammsender HSE24 kündigten. Sie gingen durch die Hintertür als Verkäuferin hinaus und kamen durch die Vordertür als Unternehmerin mit eigener Kosmetiklinie wieder rein?

Ja, genau. Und ausgerechnet da wäre ich beinah an einer Frau gescheitert.

Wie das?

Ich saß damals vor der Personalchefin und fragte: »Was ist, wenn das schiefgeht? Kann ich dann noch mal als Moderatorin hier arbeiten?« Vorher hatte sie gesagt: »Du bist so eine wertvolle Moderatorin. Wir können dich nicht ins Unternehmertum gehen lassen.« Ich habe gesagt: »Das mache ich aber trotzdem.« Jedenfalls meinte die Personalchefin: »Nein, ein Zurück gibt’s nicht.« Das war schon ein Schock.

Von Ihrer erfolgreichsten Creme haben Sie fünf Millionen Döschen verkauft. Mit welchem Spruch schafft man das?

Mit keinem Spruch, sondern mit Sein. Mit Sein, mit wirklichem Sein. Erst dann entsteht die Emotionalität, weil Kosmetik ist … Verkaufen ist Emotionalität.

»Was ich wirklich schlimm finde, sind Heulsusen«
Judith Williams

Was hat Homeshopping mit der großen Opernbühne gemeinsam?

Es ist Entertainment. Ob du eine Versicherung verkaufst oder ob du eine Creme verkaufst, alles ist Entertainment. Letztendlich verkaufen wir alle Emotionen. Die Emotion der Sicherheit, die Emotion der Schönheit, das Wertgefühl meines Lebens.

Stimmt es, dass Sie den Regieschnitt auf Ihren Po mögen, wenn Sie Mode vorführen?

Nein, das ist nicht meine Lieblingseinstellung. Meine Lieblingseinstellung ist diejenige, die das Produkt lebendig macht. Da gehört der Po dazu, da gehört vorne die Taille dazu, die Knie, die Sprungkraft, die Elastizität – alles. Und deswegen liebe ich Teleshopping: Es macht dein Produkt lebendig!

Warum mögen Sie keine Fotos von sich mit Brille?

Doch, die mag ich!

Im Netz finden sich nur wenige.

Sie werden komischerweise nur selten benutzt. Die Leute sehen mich, glaube ich, lieber glamourös, weil es so wenig Glamour in Deutschland gibt.

Wie oft schauen Sie bei Instagram, wie viele Follower ­heute wieder dazu­gekommen sind?

Ganz ehrlich: Ich habe die Marke von 100.000 total verpasst! Man sollte da ja schreiben: »Danke für eure Unterstützung!« Das hab ich gar nicht gemacht. Ich habe auch keine Agentur beauftragt, ich mache das ganz allein.

Schon mal einen Shit­storm ausgelöst?

Ja, habe ich.

Als Sie bei »Wer wird Millionär?« die 500 000 Euro verspielt haben?

Da kam eine Welle der Liebe zurück! Nein, ich habe bei »Die Höhle der Löwen« einmal einen Witz gemacht über einen Damenschlüpfer. Die Frauen haben meinen ­Humor nicht verstanden. Ich glaube, ich gehe mit den Schwächen der Frau lockerer um als die meisten Frauen.

Neben »Die Höhle der Löwen«, wo Sie als Investorin Start-ups finanzieren, waren Sie auch bei der Show »Let’s Dance« dabei. Davon haben Ihnen alle ab­geraten. Weshalb haben Sie es trotz­dem gemacht?

Um aus einer Schublade rauszuspringen und mal zu zeigen: Leute, macht euch locker! Ich sehe so viele Leute, die in Schubladen festsitzen und sich als Mensch eindimensional erleben. Ich finde, jeder Mensch sollte sich mehrdimensional erleben können, sowohl in der beruflichen Welt als auch im Privatleben. Ich wollte aus meiner Komfortzone raus! Deswegen habe ich es gemacht.

Stimmt es, dass Sie einen gebrochenen Zeh ver­heim­licht haben, um dort nicht aus­zu­scheiden?

Ja, ja, ja. Was ich wirklich schlimm finde, sind Heulsusen, diese Cry Babies. ­Grauenhaft! Als der Zeh gebrochen war, habe ich sofort ­gesagt: »Okay, bandagieren.« Leider habe ich kein Ibuprofen ver­tragen, also musste ich die Schmerzen aushalten. Ich war verblüfft, wie schnell wir uns an Schmerzen gewöhnen. Und dass man sie ausblenden kann.

Sie mögen keine Miss­erfolge?

Ich finde, es gibt keine Misserfolge. Was als Misserfolg erscheint, ist eine Erfahrung, die so unbedingt nötig war.

Bildquellen

Icons: Timo Meyer/kombinatrotweiss

Judith Williams: Alma Hansen / Styling: Sibylle Oberschelp; Haare & Make-up: Suzana Santalab

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