»Ich möchte
mindestens 100 werden«

5. Juni 2020 – Interview: Christian Gottwalt und Niclas Müller
Dieter Hallervorden hatte seinen Sohn Johannes gewarnt: Es gibt zu viele Schau­spieler. Der wurde trotzdem einer. Ein aus­gesprochen ernstes Gespräch zwischen Vater und Sohn
Dieter Hallervorden war 63, als sein jüngster Sohn Johannes zur Welt kam. Heute stehen sie gemeinsam auf der Theaterbühne – und im Studio für 1890. Fotos: Maurice Kohl

Herr Hallervorden, wie hat Ihr Vater damals reagiert, als Sie ihm gesagt haben, dass Sie Schau­spieler werden möchten?

Dieter Hallervorden: Ich war bereits im Doktorandenseminar und habe mein Studium abgebrochen, um Schauspieler zu werden. Niemand aus der Familie, weder Mutter noch Vater, Großvater oder Großmutter, hat warnend den Zeigefinger erhoben. Das weiß ich denen noch heute hoch anzurechnen.

Wie war es bei Ihnen, Johannes?

Johannes Hallervorden: Natürlich wurde ich gewarnt, dass es fünfmal mehr Schauspieler gibt, als benötigt werden. Es ist kein einfacher Beruf, man muss sich durchbeißen. Aber wenn man es schafft, dann ist es auch ein Beruf, der großen Spaß machen kann.

Und, Dieter, wird Ihr Sohn es schaffen?

Dieter: Ich glaube, er hat Theaterblut in den Adern. Als Kind ist er bei der Premiere eines meiner Programme zur Zugabe mit auf die Bühne geeilt und war nicht mehr runterzukriegen.

Jetzt stehen Sie gemeinsam auf der Bühne. Wie trennen Sie da das Private vom Beruflichen?

Johannes: Das ist doch gar nicht nötig. Auf der Bühne haben wir unsere Rolle und die Anweisungen des Regisseurs.

Immerhin ist Ihr Vater als Intendant des Berliner Schlosspark Theaters auch Ihr Chef.

Johannes: Wir stehen zusammen auf der Bühne, und nach der Vorstellung trinken wir gemeinsam ein Bier. Ich bin da frei.

Dieter: Aber das war nicht die Frage.

Johannes: Ich habe auch versucht, der Frage auszuweichen.

Dieter, wie sehen Sie das berufliche Vater-Sohn-Verhältnis?

Dieter: Ich habe eine Zeit lang versucht, ihm Ratschläge zu geben. Aber natürlich muss ich ihm die Freiheit lassen zu sortieren, was für ihn dabei verwendbar ist und was nicht.

Steigt der Erwartungs­druck an einen jungen Schau­spieler, wenn man Hallervorden heißt?

Johannes: Der Name Hallervorden ist Fluch und Segen zugleich. Er kann mir Türen öffnen, aber ob ich in dem Raum dahinter bleibe, hängt einzig und allein von meiner Leistung ab.

Wann mussten Sie zuletzt ein ernstes Gespräch mit Ihrem Sohn führen?

Dieter: Das letzte war vergangenen Sonnabend.

Verraten Sie, worum es ging?

Dieter: Es hatte mit dem Berufsweg zu tun, den man gehen kann, und einer realistischen Selbsteinschätzung. Das war ein bisschen tief greifender.

»Ich habe eine Zeit lang versucht, ihm Ratschläge zu geben«
Dieter und Johannes Hallervorden genügen zwei Stühle, und schon fangen sie an zu spielen, was sie sind: Vater und Sohn

Wie haben Sie es erlebt, Johannes?

Johannes: Ich fahre heute allein mit der Bahn zurück nach Berlin – das sagt, glaube ich, alles. (Johannes lacht, Dieter blickt versöhnlich. Hallervorden senior reist im Anschluss an das 1890-Interview zu einem Termin nach Dortmund weiter, Anm. d. Red.)

Dieter, Sie haben früher oft ältere Männer gespielt. Was hat Sie daran gereizt?

Dieter: Es macht Spaß, in eine Rolle zu schlüpfen, die man von seinem Äußeren und seinem Wesen her gar nicht ist. Dazu braucht man auch eine gewisse Viel­seitigkeit. Die Zuschauer müssen verwöhnt und neugierig gemacht werden auf neue Facetten.

Jetzt, wo Sie tatsächlich alt sind, hat man den Eindruck, dass Sie ernster geworden sind. Ist das eine weitere Facette, die Sie dem Publikum bewusst zeigen wollten?

Dieter: Wenn man nicht selbst die Drehbücher schreibt, kann man nur auf Chancen warten. Und das Drehbuch von »Sein letztes Rennen« entsprach total meiner Lebensphilosophie. Also habe ich mich kasteit, jeden Tag Sport gemacht. Ich habe in sechseinhalb Monaten neun Kilo abgenommen. Dass ich eine Charakterrolle spielen kann, wusste ich ehrlich gesagt schon auf der Schauspielschule. Aber wer lässt einen?

Wo sehen Sie sich mit 84, Johannes?

Johannes: Wo es mich hintreibt. Sehr gerne bei der Arbeit – wenn es Leute gibt, die mich noch sehen wollen. Natürlich muss man vorsorgen, damit man eine Absicherung hat, wenn man arbeitsunfähig wird. Aber ansonsten beschäftige ich mich nur wenig damit.

Geborene Schauspieler
Johannes Hallervorden ist das jüngste Kind von Dieter Hallervorden, aus dessen zweiter Ehe. Dieter feierte mit »Sein letztes Rennen« (2013) und »Honig im Kopf« (2014) Kinoerfolge. Seit 2019 ist er Pflegebotschafter der Allianz Privaten Krankenversicherung. Er leitet das von ihm vor 60 Jahren gegründete Kabarett-Theater »Die Wühlmäuse« und betreibt als Intendant das Berliner »Schlosspark Theater«. 

Dieter, hätten Sie damit gerechnet, mit 84 noch auf der Bühne zu stehen?

Dieter: Ich habe den Beruf ja erst ziemlich spät ergriffen und mich immer erfreut an dem, was ich an ­Lebenszeit gesund überstanden habe. Ich habe mich bereits dazu bekannt, dass ich gerne mindestens 100 werden möchte. Das heißt, wir werden uns schon noch mal begegnen.

Ihre Empfehlung, wie man gut altert?

Dieter: Ich habe meine Laster, wenn ich denn je welche hatte, immer in Grenzen gehalten. Und ich mache jeden Tag eine Stunde Sport. Das tut gut, weil man den inneren Schweinehund überwindet. Außerdem schafft es immer gute Laune.

Ihr Vater war 63, als Sie zur Welt kamen.

Johannes: Ich kenne es nicht anders. Ich habe mich immer wohlgefühlt.

Dieter: Als er drei oder vier war, kamen öfters Leute: »Na, das ist ja schön mit dem Opa!« Wir haben beide darüber gelacht.

Hält es jung, im Alter noch mal ein Baby im Arm zu halten?

Dieter: Für mich war das eine der schönsten Lebensphasen überhaupt. Da ist ein kleines Kind, das einem zeigt, wie toll es ist, wenn man Steine in eine Pfütze schmeißt und sich Kreise bilden. Ich habe das total genossen.

Haben Sie Ihren Sohn auch gepflegt?

Dieter: Selbstverständlich. Meiner Frau ging es nach der Geburt nicht so gut. Natürlich habe ich die Windeln gewechselt und ihm das Fläschchen gemacht. Wir haben heute noch die Lampe hängen, unter der sein Bettchen stand. Da sind Glasperlen dran, die Geräusche machen und Schattenspiele. Wir haben viel Spaß gehabt. Bis vor Kurzem haben wir uns noch jeden Abend »Gute Nacht« geschrieben.

Johannes: Wir haben versucht, es wieder einzuführen, aber irgendwie schafft es der andere nicht, rechtzeitig darauf zu antworten.

Dieter, haben Sie Ihren Vater auch gepflegt? Durch eine Krank­heit hatte er beide Beine verloren.

Dieter: Aber seinen Kampfgeist hat er nie verloren. Er hat getanzt mit den Prothesen und ist damit auch Fahrrad gefahren. Seine Art, mit Schicksalsschlägen umzugehen und nie um Hilfe zu ersuchen, das hat mich geprägt.

Würden Sie sich von Ihrem Sohn pflegen lassen?

Dieter: Nein. Für mich ist das klar, dass ich meinen Verwandten und Lieben gerade das nicht zumuten möchte. In meinem Alter konnte ich keine Pflegetagegeldversicherung mehr abschließen. Aber ich habe eine für Johannes und eine für meine Lebensgefährtin abgeschlossen.

Privat gelten Sie als ein wenig scheu. Wären Sie gern anders?

Dieter: Ich bin im Privatleben eher schüchtern. Scheu nicht direkt, aber es fällt mir schwer, besonders, wenn man sich zum ersten Mal sieht. Und man muss ja doch, wenn man über Dinge redet, ein bisschen was von sich preisgeben. Eine Art Seelenstriptease, und das fällt mir immer sehr schwer.

Ist die Bühne für einen schüchternen Menschen eine Art Therapie?

Dieter: Tatsächlich. Ich bin im hellen Scheinwerferlicht, die da unten sind im Dunkeln. Und dann kann ich über mich hinauswachsen. Aber wenn ich auf privaten Partys bin und alle gucken, ob ich die Treppen runterrutsche oder mit der Gabel zufällig am Ohrläppchen lande, verklemmt mich das total. Ich kann wirklich sehr locker sein, wenn ich merke, dass Leute mich nehmen, wie ich normalerweise bin, ohne immer auf einen Gag zu warten.

Johannes, entspricht das auch Ihrer Persönlich­keit?

Johannes: Was die Bühne betrifft, bin ich anders. Ich habe auch kein Lampenfieber. Wie jemand anders am Computer eine Rechnung schreibt, gehe ich auf die Bühne und spiele.

Dieter: Er ist da so locker drauf, das könnte ich nie. Er spielt ein Soloprogramm, wo ihm niemand helfen kann, und begrüßt vorher am Einlass die Leute.

Johannes: Würde ich in der Garderobe sitzen, würde ich vor Übelkeit grün im Gesicht werden. Ich würde mich aufregen und anfangen zu zittern. Kalter Schweiß. Aber wenn ich vorne an der Tür bin, ist das nicht so, weil ich mich dadurch ablenken kann. Dieter: Ich sehe, Johannes, dass es für dich richtig ist, aber ich könnte das nie.

Johannes, Ihr Vater muss im Jahr 100.000 Euro dazu­schießen, weil sich das Theater nicht trägt. Denken Sie manchmal, dass er das Familien­erbe ver­brennt?

Johannes: Was ist das denn für eine Frage? Nein, im Gegenteil! Das Geld dient der Erhaltung eines großen Kulturbetriebs, der für die Stadt Berlin unfassbar wichtig ist. Und nicht zuletzt ist das Theater auch meine Arbeitsstätte.

Dieter: Um so zu denken, lieben wir beide das Theater viel zu sehr. Außerdem ist unser letztes Stück sehr gut gelaufen. Eine schöne Basis für die elfte Spielzeit. Das heißt, wir werden noch irgendwann dazu kommen, dass ich kein Geld mehr zuschießen muss.

Johannes, wie ist es um­gekehrt? Sehen Sie das Theater als Ihr Familie­nerbe, das Sie weiter­führen und er­halten möchten?

Johannes: Wir sind da gerade an Plänen dran. Ich kann leider nicht so weit ausholen, sonst sitzen wir in zwei Stunden noch hier. Mein Lebensziel ist sehr wohl, Intendant zu werden. Wann sich das erfüllt, werden wir sehen.

Würden Sie ein Theater unseren Lesern als Alters­vorsorge empfehlen?

Dieter: Wer von Geiz und Gewinnsucht getrieben ist, sollte kein Theater aufmachen.

 
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Bildquellen

Dieter & Johannes Hallervorden: Gespräch zwischen Vater und Sohn: Maurice Kohl

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